Die nächsten Erben sind Digital Natives

Es wäre ein Fehler zu glauben, Digital Natives hätten noch keine Relevanz für das Private Banking. Zwar muss das traditionelle Geschäftsmodell noch eine Zeit lang fortgeführt werden. Zugleich dürfen es die Anbieter nicht versäumen, parallel dazu neue Geschäftsmodelle für die nächsten Generationen aufzubauen. Gefordert ist die Fähigkeit zur „Jump Adaption“.


Von Peter Buschbeck, Vorstand der Investors Marketing AG

Das Private Banking und die Art, in der es heute noch überwiegend betrieben wird, ist geprägt von der Silver Generation und den Baby Boomers. Hier liegt der Großteil der Vermögen, die in Form von Wert-papierdepots, Immobilien und anderen Assets investiert sind und verwaltet werden. Die Anforderun-gen dieser Kunden unterscheiden sich immens von denen der Millenials und noch mehr von denen der Digital Natives, die mit dem mobilen Internet von Geburt an aufgewachsen sind. Es wäre ein Fehler zu glauben, diese Nachfolgegenerationen hätten noch keine Relevanz für das Private Banking – im Gegenteil. Zwar muss das traditionelle Private-Banking-Geschäftsmodell selbstverständlich in seiner bewährten Form fortgeführt werden. Zugleich dürfen es die Anbieter aber nicht versäumen, parallel dazu neue Geschäftsmodelle für die nächsten Generationen aufzubauen. Und zwar jetzt.

Denn: Ein Erbfall oder die Weitergabe von Vermögen zu Lebzeiten kann die Bank gleichsam über Nacht mit den neuen Anforderungen der nächsten Generation konfrontieren. Während sich Portfolios nach einem solchen Ereignis in der Regle nur mit der Zeit verändern, ändern sich im Ernstfall die individuel-len Anforderungen des Vermögensinhabers von einem Tag auf den anderen. Hier muss eine sprunghaf-te Anpassung in der Art der Kommunikation mit dem Kunden und der Darbietung der Leistung „Private Banking“ erfolgen – die Bank muss zur „Jump Adaption“ fähig sein. Andernfalls überlässt sie die Bühne einem Konkurrenten, der in der Lage ist, die Bedürfnisse der jungen Generation besser zu bespielen.

Amazon & Co. definieren den Standard

Das ist eine große Umstellung, denn in den vergangenen 25 Jahren seines Bestehens hat das Internet, abgesehen von Online Banking, kaum Einfluss auf das Geschäftsmodell im Private-Banking gehabt. Doch Finanzdienstleister haben es in unserer Gesellschaft, die einen Überfluss an Optionen bereithält, mit einer „Multi-Options-Kundschaft“ zu tun, die sich an Standards orientiert, die von digitalen Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook und Apple vorgegeben werden. Der tägliche Umgang mit anderen, von disruptiven Prozessen völlig veränderten Branchen lässt auch eine Erwartungshaltung gegenüber der eigenen Bank entstehen. Nicht mehr sie ist es, die den Weg des Kunden zum Produkt vorgibt, es ist der Kunden selbst, der in einem digitalisiertes Multikanalangebot eine systembruchfreie Dienstleistung erwartet – heute über Kanal A, morgen über Kanal B und übermorgen über einen ganz anderen Zugang.

Zudem hat die Vergleichskultur des Internets auch das Private Banking erfasst. Damit gehören Informations-Asymmetrien der Bank gegenüber ihren Kunden der Vergangenheit an. Das, aber auch die „24/7 – Always on – At the Fingertips“-Kultur führt zu einem vollkommen neuen Anspruch hinsichtlich der transparenten Aufbereitung von Portfolioinformationen. Heute werden Kundenbeziehungen im Private Banking noch vom „Jahresgespräch“ dominiert, und von vergangenheitsbezogenen Portfoliobetrachtungen. Gefordert sind aber sofortige, ansprechend aufbereitete Informationen auf Knopfdruck, sowie eine zukunftsgerichtete Finanzplanung mit vorausschauendem Fokus auf Anspar-, Entnahme- und Weitergabephasen sowie Sonderereignisse. In einer solchen Lebenszyklus-orientierten Finanzplanung sind dynamisch erstellte und unmittelbar anpassbare Übersichten zwingend gefordert.

Tempo und Intelligenz entscheiden

Und nicht zuletzt: Über PSD2-Schnittstellen und dem damit möglichen Zugriff auf die Kontodaten wird der ganzheitliche Blick auf sämtliche Vermögenswerte eines Private-Banking-Kunden bei verschiedenen Instituten möglich. Das bedeutet, es ist sehr wahrscheinlich, dass bei mehreren Kontobeziehungen diejenige Bank den umfassenden Blick auf das Kundenvermögen erhält, die sich hier als „First Mover“ positioniert. Dabei besteht die Kunst darin, die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Daten zu wertvollen Informationen zu aggregieren. Man braucht nicht zwingend „Big Data, um einen Anfang zu machen – „Small Data“ ist schon ein großer Schritt nach vorn. Zugleich liegt eine Herausforderung darin, zu erkennen, was sinnvoll ist und was nicht – und bei aller geforderten Schnelligkeit nicht jeden Unsinn mitzumachen. Wer das beherrscht, wird als „First Mover“ und „very fast Follower“ belohnt – alle anderen werden bestraft.