Studie und Symposium – Top-Entscheider in Banken sehen Mängel in der Kundenorientierung

Frankfurt am Main, 27. Mai 2019. Top-Entscheider der Finanzbranche erkennen die Notwendigkeit, ihre Kundenzentrierung zu verbessern. Das ist das auffälligste Ergebnis der IM-Entscheiderbefragung 2019. Diese wurde heute auf dem 13. IM-Symposium der auf Finanzdienstleister spezialisierten Managementberatung Investors Marketing unter der Überschrift „Die Kundenschnittstelle sichern“ präsentiert. Demnach glauben nur 39 Prozent der befragten Entscheider, dass ihre Leistungen die Bedarfe ihrer Kunden derzeit sehr gut abdecken. Und gerade einmal 27 Prozent glauben, ihr Institut
hebe sich mit besonderer Kundenzentrierung hervor. „Diese Selbsteinschätzung ist mit Blick auf die Stabilität der Kundenbindung alarmierend“, sagt Oliver Mihm, Vorstandschef von Investors Marketing. „Denn zugleich sind 81 Prozent der Entscheider überzeugt, dass Bankleistungen aus Kundensicht austauschbar sind.“

  • IM-Entscheiderbefragung 2019 deckt alarmierende Selbsteinschätzung der Institute im Bereich Kundenzentrierung auf
  • Auf dem heute stattfindenden 13. IM-Symposium diskutieren Führungskräfte Lösungsansätze und Praxisbeispiele zur Sicherung der Kundenschnittstelle
  • Zahlungs-, Abschluss- und Weiterempfehlungsbereitschaft steigen, wenn Kunden ihre Bank in besonderer Weise als kundenorientiert wahrnehmen

Im Rahmen der IM-Entscheiderbefragung 2019 wurden von Februar bis April 101 Top-Führungskräfte von Privatbanken, Sparkassen und Genossenschafts-instituten auf persönliche Einladung von Investors Marketing nach deren Einschätzung befragt. Nach empirischer Analyse von Investors Marketing lässt sich der Erfüllungsgrad von Kundenzentrierung an acht Faktoren bemessen: Beziehung, Individualität, Fairness, Wertschätzung, Service, Kompetenz, Komfort und Innovation. Den größten Aufholbedarf ihrer Institute sehen die befragten Führungskräfte in den emotionalen Faktoren: Gerade einmal ein Fünftel sieht „Wertschätzung“ im eigenen Haus als erfüllt an, nicht einmal ein Viertel sieht „Fairness“ umgesetzt. Und nur 27 Prozent sehen sich im Bereich „Beziehung“ gegenüber dem Kunden gut aufgestellt.

Das deckt sich mit den Ergebnissen der IM Privat- und Geschäftskundenstudie 2018: So empfinden nur 35 Prozent der Privatkunden ihre Hausbank tatsächlich auch als fair (siehe Grafik nächste Seite). Aus Kundensicht bestehen die größten Lücken zwischen deren Erwartung und Erfüllung durch die Bank bei den Faktoren Fairness (21 Prozentpunkte), Beziehung (17 Prozentpunkte) und Wertschätzung (15 Prozentpunkte). „Zu viele Kunden sind von ihren Banken in den vergangenen Jahren emotional vernachlässigt worden“, sagt Oliver Mihm. „Hier liegt der wirksamste Hebel, um Kunden-zentrierung erlebbar zu verbessern.“

In den vergangenen Jahren lag der Fokus stark auf Kosten und Erträgen, der Erfüllung regulatorischer Anforderungen und Investitionen in IT. Jetzt ist es an der Zeit, sich ernsthaft um die Beziehung zu ihren Kunden zu bemühen und sie emotional wieder näher an sich heranzuholen. Und die Zeit drängt: 39 Prozent glauben, dass in den kommenden fünf Jahren neue Anbieter die Bedarfe der Kunden besser bedienen werden können als sie selbst es derzeit tun.

Auf dem heutigen Symposium diskutierten vor dem Hintergrund der Studienergebnisse gut 150 Teilnehmer aktuelle Lösungsansätze und Praxis-beispiele zur Sicherung der Kundenschnittstelle. Dabei gaben Top-Entscheider der Finanzbranche vielfältige Einblicke, welche Maßnahmen sie aktuell ergreifen, um die Kundenschnittstelle und damit den künftigen Erfolg ihrer Institute zu sichern. So stellte Stefan Kleiber, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Rhein Neckar Nord, das Projekt der Community-Plattform „Kurpfalz erleben“ vor. Seine Motivation: „Der regionale Markt hat mehr Bedeutung denn je, um die Kunden zu binden und nicht an die Big-Techs zu verlieren.“ Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender der Union Investment, setzte ein starkes Statement, als er die Entwicklung bei Zahlungs-, Kredit- und Baufi-Plattformen kommentierte: „Wir glauben nicht an Plattform-Modelle im Asset Management.“ Die Executive Discussion drehte sich um die Frage, wozu der Kunde morgen noch eine Bank braucht: „Verlässlichkeit ist hier der Anspruch an die Finanzindustrie“, meinte dazu Dr. Reiner Brüggestrat, Sprecher des Vorstandes der Hamburger Volksbank, mit Blick auf zuletzt bekannt gewordene Schwächen bei der Mobilbank N26. „Wenn es uns gelingt, uns auf unsere Stärken zu besinnen und die Stärken von FinTechs zu integrieren, dann kommt auch in Zukunft keiner an uns vorbei“, zeigte sich Karin-Brigitte Göbel, Vorsitzende des Vorstands der Stadtsparkasse Düsseldorf, überzeugt. Die FinTech-Sicht brachte Philip Kamp, Mitgründer der Kreditplattform von auxmoney, ein: „Wir suchen Partner unter den Banken und stellen auch White-Label-Lösungen bereit. Doch viele Institute tun sich schwer damit, ihren Kunden unsere Produkte anzubieten“. Und Erich Loeper, Leiter des Zentralbereichs Banken und Finanzaufsicht, Deutsche Bundesbank, zeigte Verständnis für Kritik an der Zahlungsrichtlinie PSD2 seitens der traditionellen Anbieter: „Hier haben wir uns nicht durchgesetzt. Ich sehe durchaus eine gewisse Benachteiligung der Banken gegenüber neuen Wettbewerbern, wenn sie ihre Kundenschnittstelle öffnen müssen.“

Bernd Geilen, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der ING-DiBa, berichtete, wie seine Bank Mobilität und Agilität in die Organisation bringt. Thomas Fürst, Mitglied des Vorstandes der Sparkasse Bremen, sprach über die Erfahrungen seines Hauses mit der offenen Beratung in der Baufinanzierung. Und im Digital Talk schließlich standen Plattformstrategien im Privat- und Firmenkundengeschäft im Mittelpunkt der Diskussion zwischen Jörg Diewald, Mitglied des Vorstandes, solarisBank, sowie Oliver Maier, Geschäftsführer, Verivox Finanzvergleich und Jörg Utecht, Vorsitzender des Vorstands von Interhyp.

„Die Finanzbranche braucht mehr Ansätze wie sie auf dem Symposium vorgestellt wurden“, sagt Oliver Mihm. Ein Erkenntnisproblem gebe es überwiegend nicht – doch mangele es an einer systematischen und zielorientierten Umsetzung. „Dabei lohnt es sich, konsequent Kunden-zentrierung zu praktizieren: Zahlungs-, Abschluss- und Weiterempfehlungs-bereitschaft steigen, wenn Kunden ihre Bank in besonderer Weise als kundenorientiert wahrnehmen“, so Oliver Mihm.